rechtliche und moralische Pflicht der EU ihre Bürger in Bahrain zu schützen: Die Geschichte von zwei Menschenrechtsverteidigern

Die Gründungsprinzipien der Europäischen Union (EU) sind „menschliche Würde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Respekt für Menschenrechte, darunter auch die Rechte von Personen, die Minderheiten angehören.“ Im Jahre 2012, hat die EU ihre strategischen Handlungsperspektiven hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte und Demokratie verabschiedet, was zu einer koordinierteren und effektiveren Zusammenarbeit mit und in Drittländern geführt hat. Dieser Handlungsrahmen definiert die Prinzipien, Ziele und Prioritäten, um die Effektivität und Konsistenz innerhalb der EU Gesetzgebung zu verbessern. Dies schließt ebenfalls die Einbeziehung von Menschenrechten in alle EU Gesetze als „silbernen Faden“ mit ein, sowie ein stärker normatives Vorgehen für interne und externe Belange.

ADHRB begrüßt die jüngste Entwicklung des Europäischen Parlaments, nämlich die Verabschiedung der Resolution 2578, betitelt als „Die Menschenrechtssituation im Königreich Bahrain, insbesondere die Fälle von Insassen und Menschenrechtsverteidigern, die im Todestrakt sitzen.“ Jedoch reicht dies noch lange nicht aus, um das erwartete Resultat der Resolution zu erreichen, weshalb die EU alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen muss, um zu demonstrieren, dass sie den aktuellen Status quo der kontinuierlich fortgeführten Menschenrechtsverletzungen in Bahrain nicht weiter toleriert.

So muss noch vieles getan werden, damit jeder Mensch seine grundlegenden Rechte ausleben kann. Die langwierige Verpflichtung der EU sich an Menschenrechte und Demokratie zu binden, muss in eine effiziente Agenda übertragen werden, um den Ruf und das Image der EU sowie ihre Glaubwürdigkeit als normative Macht, auf Basis demokratischer Werte, aufrecht zu erhalten.

Verbot von Folter unter dem Völkerrecht

Sheikh Al-Miqdad und Abdulhadi Al-Khawaja, zwei prominente Menschenrechtsverteidiger, die beide die EU- und die bahrainische Staatsbürgerschaft besitzen, wurden schwerster und brutalster Folter und Misshandlungen ausgesetzt, sowohl während als auch nach ihrer Festnahme, was einen direkten Verstoß gegen wichtige Menschenrechtsverträge darstellt. Folter wird als eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen und jus cogens erachtet, da die körperliche Unversehrtheit und der Schutz vor Folter oder erniedrigender Behandlung ein unveräußerlicher Grundsatz im Völkerrecht ist.

Das Folterverbot wird in Internationalen Menschenrechtsverträgen immer wieder hervorgehoben, insbesondere, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 (AEMR), der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT). Als Vertragspartei dieser Übereinkommen, hat Bahrain mehrere Mechanismen und Prinzipien des internationalen Menschenrechtsschutzes verletzt. Zudem ist Folter im bahrainischen Strafgesetzbuch verboten.

Rechtliche Pflicht der EU ihre Bürger zu beschützen

Die EU ist durch Artikel 46 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union rechtlich dazu verpflichtet, ihre eigenen Bürger zu beschützen. Dieser Artikel schreibt vor, dass jeder/jeder EU Bürger*in dazu berechtigt ist innerhalb eines Drittstaates, der ihn oder sie repräsentiert diplomatischen Schutz zu erhalten. Diplomatischer oder konsularischer Schutz wird vom jeweiligen Mitgliedstaat unter den selben Bedingungen wie für die Staatsangehörigen eines jeweiligen Mitgliedstaates zur Verfügung gestellt. Die Voraussetzungen hierfür sind ebenfalls im Grünbuch der Europäischen Kommission über „diplomatischen und konsularischen Schutz von Unionsbürgern in Drittländern“ verankert. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union schreibt kein explizites Recht auf diplomatischen Schutz vor. Jedoch hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Bezug auf Artikel 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die extraterritoriale Anwendung der Konvention etabliert. Das Recht auf diplomatischen Schutz ist mit dem Schutz der Menschenrechte verbunden. Die Mitgliedsstaaten müssen ihre Bürger daher auch außerhalb ihres Territoriums schützen, was unter anderem bei Fällen wie Al-Skeini und andere v. Großbritannien rechtlich etabliert wurde.

Abdulhadi Al Khawaja ist ein bahrainisch – dänischer Doppelstaatler, während Sheikh Al-Miqdad die bahrainische und die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt. Dies wirft die Frage auf, ob die EU unter allgemeinem Völkerrecht und/oder Europäischem Recht die Verpflichtung hat, ihre Bürger zu beschützen, falls Diese eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Abdulhadi Al Khawaja und Sheikh Al-Miqdad sind nur zwei von unzähligen Aktivisten, deren Mut zu ihrer Folterung und lebenslangen Haft geführt hat. Die EU hat ihre Verpflichtungen gemäß Artikel 3, Absatz 5 des EU Vertrages, welcher vorschreibt, dass „die Union in ihren Beziehungen mit der Welt zum Schutze ihrer Bürger ihre Werte und Interessen aufrechterhalten und fördern soll“ nicht eingehalten. ADHRB vertritt die Auffassung, dass Dänemark und Schweden ebenfalls ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Bürgern nicht nachkommen sind.

Durch den Fall von Nottebohm hat der Internationale Gerichtshof erstmals den Standard der „effective nationality“ etabliert. Dadurch könne, laut dem Internationalen Gerichtshof, einer natürlichen Person diplomatischer Schutz garantiert werden, wenn ein sogenannter „genuine link“ zwischen dem jeweiligen Staat und der betroffenen Person bestehe. Die Bedeutung des Terminus „diplomatischer Schutz“ wird durch den „Artikelentwurf für diplomatischen Schutz“ der Völkerrechtskommission aus dem Jahre 2006 wie folgt definiert: „Die Benachrichtigung eines Staates durch diplomatische oder anderen friedliche Wege und Mittel über die Verantwortung eines anderen Staates bezüglich eines entstandenen Nachteils für eine natürliche oder juristische Person durch einen international illegitimen Akt, welcher Staatsangehöriger des ersteren Staates ist, hinsichtlich der Auswirkungen einer solchen Verantwortung“.

Wie oben bereits beschrieben, besitzen Sheikh Al-Miqdad und Abdulhadi Al-Khawaja beide doppelte Staatsbürgerschaften, was in der Tat zu Einschränkungen dieses Rechts führen könnte. Artikel 4 der Haager Konvention über bestimmte Fragen im Zusammenhang mit dem Nationalitätenkonflikt aus dem Jahre 1930 schreibt vor, dass „ein Staat keinen diplomatischen Schutz für einen seiner Staatsangehörigen gegen einen anderen Staat anbieten darf, sofern er ebenfalls die Staatsbürgerschaft dieses Staates besitzt.“ Jedoch ist Artikel 5 der Haager Konvention in dieser Hinsicht etwas nachsichtiger und schreibt vor, dass der beklagte Staat nicht in der Lage ist den Schutz, der vom anderen Staat angeboten wird, abzulehnen, wenn die betroffene Person ebenfalls die Staatsbürgerschaft dieses Staates besitzt.

Ob ein Staat nun die internationale Verpflichtung hat diplomatischen Schutz anzubieten, bleibt also nach wie vor unklar. Artikel 7 des Artikelentwurfs der Völkerrechtskommission besagt weiterhin, dass der Staat der Staatsangehörigkeit diplomatischen Schutz für eine Person gegen einen anderen Staat, dessen Staatsbürgerschaft Diese ebenfalls besitzt, anbieten darf, wenn die erstere Staatsbürgerschaft in der Zeit, in der der Nachteil für die betroffene Person entstanden ist, dominiert.

Dieser Artikel hebt somit die Möglichkeit beider Regierungen vor, sowohl der Schwedischen als auch der Dänischen, sich auf die Staatsbürgerschaften von Herrn Al-Miqdad und Herrn Al-Khawaja zu berufen, obwohl Bahrain Diese im Hinblick auf diplomatischen Schutz nicht anerkennt. Zudem wurde die Legitimität dieses Vorgehens ebenfalls vom Iran-United States Claims Tribunal durch eine Rechtsprechung bestätigt, vorausgesetzt, dass die dominante und „effektive“ Nationalität nicht die des beklagten Staates ist.

Ein wichtiger Aspekt, welchen die Völkerrechtskommission in seiner finalen Version des Artikelentwurfs ausgelassen hat, ist, die Frage, ob eine Verletzung einer jus cogens Rechtsprechung zu einer internationalen Verpflichtung führen soll, diplomatischen Schutz anzubieten. Jus cogens Normen charakterisieren im Völkerrecht fundamentale Rechtsprechungen, von welchem kein Staat abweichen darf, beispielsweise das Folterverbot. Dieser Vorschlag wurde von einigen Staaten in den begleitenden Kommentaren und Erläuterungen der Völkerrechtskommission unterstützt, welche besagen, dass „eine gebührende Beachtung zu der Möglichkeit der Ausübung des diplomatischen Schutzes gegeben werden soll, insbesondere im Falle einer signifikanten Schadensentstehung.“

Es ist somit essenziell den nicht-bindenden Charakter dieses Kommentars dennoch hervorzuheben, da er zu einer wünschenswerteren Stellung einer betroffenen Person führen kann. Die Artikel der Völkerrechtskommission über die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln von 2011 legt die Standards der Verantwortung eines Staates für eine Ausübung eines völkerrechtswidrigen Aktes dar. Artikel 48 dieses Artikelentwurfs schreibt die Geltendmachung der Verantwortlichkeit durch einen Staat, der kein benachteiligter Staat ist, in jenen Situationen vor, in denen ein schwerer Bruch einer zwingenden Norm erfolgt ist, bei welcher die verletzte Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft als Ganzes geschuldet ist.

Diplomatischer Schutz und die Bestimmungen des Artikelentwurfs der Völkerrechtskommission sind jedoch zwei separate Mechanismen und, wie bereits zuvor erläutert, besteht keine explizite internationale Verpflichtung hinsichtlich eines diplomatischen Schutzes im Sinne von jus cogens. Jedoch stellt Artikel 48 dennoch eine erga omnes Verpflichtung dar, was eine Verpflichtung für die internationale Staatengemeinschaft als Ganzes einschließt. Beide Mechanismen, sowohl diplomatischer Schutz als auch die Geltendmachung der erga omnes Verantwortung eines States kann und sollte aus diesem Grund auch für den Schutz einzelner Individuen geltend macht werden.

Dänemark und Schweden unterstützen beide die Erklärungen und Bestimmungen des Artikel 7 des Entwurfes der Völkerrechtskommission, welcher jedoch nicht bindend ist.

Im Falle von mehreren Staatsangehörigkeiten, sollte der Staat der Nationalität, welcher zum Zeitpunkt der Schadenszufügung und der offiziellen Einreichung der Behauptungen „dominant“ ist, dazu ermächtigt sein, gegenüber einem anderen Staat, dessen Nationalität die betroffene Person ebenfalls besitzt, diplomatischen Schutz auszuüben. In den Ansichten Dänemarks und Schwedens stell Artikel 7 des Entwurfs der Völkerrechtskommission somit eine Kodifikation des existierenden Völkergewohnheitsrechts dar. Es sollte zudem noch hinzugefügt werden, dass diese Rechtsprechung keine zwingende Verantwortung zur Bereitstellung von konsularischem Rechtsbeistand darstellt.

Die Völkerrechtskommission gibt keine eindeutigen Bestimmungen oder Aufzählungen von unterschiedlichen Bedingungen vor, welche zwingend erfüllt sein müssen, um das Vorliegen einer dominanten Staatsbürgschaft zu determinieren, jedoch lässt sich auf Grundlage der oben vorgestellten Artikel definitiv schlussfolgern, dass die Bereitstellung von diplomatischem Schutz für Sheikh Al-Miqdad und Abdulhadi Al-Khawaja in beiden Fällen anwendbar ist.

In Bezug auf die oben genannten Bestimmungen und den jeweiligen Haltungen Schwedens und Dänemarks zu Artikel 7 des Entwurfs der Völkerrechtskommission ist ADHRB der Überzeugung, dass beide Länder eine eindeutige Verpflichtung haben, ihren Bürgern diplomatischen Schutz anzubieten. Dänemark und Schweden sind dieser Verpflichtung jedoch bislang noch nicht nachgekommen.

In Bezug auf die Bereitstellung von diplomatischem Schutz für inhaftierte Staatsbürger, vertritt ADHRB die Auffassung, dass der kürzlich in Kraft getretene EU Magnitzky Akt für Sanktionsmechanismen eine ideale Gelegenheit für die EU darstellt, eine kritische Haltung und Einstellung gegenüber der bahrainischen Regierung einzunehmen. Zudem sollte die EU auf Basis des Magnitzsky Akts Sanktionen gegen den repressiven bahrainischen Staat verhängen.

Des Weiteren sollten alle 27 Mitgliedstaaten ihre bilateralen Beziehungen dazu nutzen, um ihre Bedenken bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten in Bahrain offen kundzutun.

Straffreiheit in einem kleinen Land wie Bahrain schweigend hinzunehmen und zu dulden, lässt für mächtigere Staaten den Eindruck entstehen, dass eine Verletzung von rechtlichen Pflichten im Völkerrecht keinerlei rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Dies untergräbt das gesamte internationale Rechtssystem und sämtliche Normen und Werte, die damit im Zusammenhang stehen. Aus diesem Grund müssen Menschenrechtsverletzungen in Bahrain weiter angeprangert werden und endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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